Workshopbericht | 16. Juli 2021

Tagungsbericht des NFDI4Culture-Symposiums zum Urheberrecht

Alte Holzwaage

Alte Holzwaage

"Alte Holzwaage, 1925/1945" Autor:in: Max Nowak, Besitzer:in: Deutsche Fotothek

Datum: 10. Juni 2021

Konzept und Organisation: Fabian Rack
Moderation: Franziska Boehm und Sarah Pittroff

Geschichte des Urheberrechts: Warum stehen wir, wo wir stehen?

Grischka Petri (FIZ Karlsruhe/NFDI4Culture): Wissenschaft und Urheberrecht: eine notwendige Interaktion. Der geschichtliche Rückblick konzentrierte sich auf zwei Bereiche, in denen es typischerweise zu einem Interessenkonflikt zwischen Wissenschaft und Urheberrecht kommt, die Freiheit der Tatsachen und die Freiheit der Nutzung. Dieser Interessenkonflikt reicht bis in  das Privilegienzeitalter zurück, ist also älter als die moderne Urheberrechtsgesetzgebung. Die vorgestellten Fälle aus dem 16. Jahrhundert betrafen einen Rechtsstreit zwischen zwei Verlegern um die Illustrationen in Kräuterbüchern und den Streit um die Durchsetzung von Druckprivilegien der Universität Cambridge gegenüber der Stationers’ Company. Bis heute kann es strittig sein, ob eine Information aus freien Daten besteht oder ein schöpferisches Werk darstellt. Ebenso stehen urheberrechtliche Schranken und Ausnahmen für die wissenschaftliche Nutzung immer wieder zur Debatte.

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Ethik

Dörte Schmidt (UdK Berlin) berichtet aus dem Cultural Advisory Board von NFDI4Culture, der sich ethischen Fragen bei sensiblen Kulturgütern widmet. Sie fasst antworten aus dem Board auf eine Reihe von Fragen zusammen, die im Vorfeld gestellt wurden: 

- Welche Rolle spielen die CARE-Prinzipien, vad-ev.de/care-principles/?

- In welchem Verhältnis stehen Forschungsdatenethik und Urheberrecht? Geben Sie wenn möglich Beispiele aus Ihrer Perspektive.

- Können digitale Reproduktionen zum Interessenausgleich bei Restitutionsfällen beitragen?

- Lassen sich Fallgruppen kultureller Aneignung bilden, die man verhindern möchte? Welche Präzedenzfälle werden bzw. sollten in der Diskussion herangezogen (werden)?

- Wo sehen Sie Datenethik bereits jetzt rechtlich verankert? Wo sehen Sie die größten Lücken?

- Wie lässt sich Datenethik aus Ihrer Sicht durchsetzen?

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Podium aus Recht und Praxis: Nutzen und Teilen für die Kulturwissenschaften

Welche rechtlichen Bedingungen finden die Kulturwissenschaften beim Teilen und Nachnutzen immaterieller Kulturgüter vor? Was ändert sich mit der jüngsten Reform des Urheberrechts? Und: Werden die GLAMs von diesen Regelungen Gebrauch machen?

Impulse zu diesen Fragen gaben Felicitas Kleinkopf (Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft, Karlsruhe) und Christian Bracht (Bildarchiv Foto Marburg). Es moderierte Thomas Hartmann (FIZ Karlsruhe).

 

Impulsvortrag Felicitas Kleinkopf

 

 

Der Legal Helpdesk bei NFDI4Culture

Der Werkstattbericht des Legal Helpdesk – vertreten durch Grischka Petri, Oliver Vettermann und Franziska Boehm (alle FIZ Karlsruhe/NFDI4culture) gab einen Einblick in die allgemeine Aufgabenstellung und erste Fortschritte bei der Erarbeitung von unterstützenden Materialien für die Wissenschaftscommunity. Diese werden maßgeblich durch eingehende Anfragen – wahlweise auch über das neue Kontaktformular – bestimmt und gebündelt bearbeitet. Im Übrigen kuratieren die Expert:innen bereits bekannte bzw. veröffentlichte Materialien, beobachten laufende Gesetzgebungsverfahren und aktuelle Urteile (Stichwort: Law Monitor) oder helfen bei Policy-Fragen von Institutionen und Politik weiter.
Konkret wurde ein Einblick in den Leitfaden zur Retrodigitalisierung, der sich aktuell angesichts der Urheberrechtsreform in der Überarbeitungsphase befindet, und Aspekte des Datenschutzrechts bei Forschungsdaten gegeben. In letzterem Fall wurde auf das regelmäßige Hinausfallen aus dem Anwendungsbereich, in Metadaten versteckte Informationen und die Zweigleisigkeit von Urheberpersönlichkeits- und Datenschutzrecht hingewiesen. Zu diesem Zweck wurde auch eine Handreichung sowie ein Flochart zum datenschutzkonformen internen Teilen und Verarbeiten von Forschungsdatensätzen erarbeitet. Inwieweit dieser für eine inter- und intradisziplinäre Nutzung in der Wissenschaftscommunity tauglich ist, befindet sich in der Evaluation.
Für die Zukunft plant der Helpdesk die Optimierung interner Prozesse und des Anfragemanagements inklusive einer stärkeren Verknüpfung mit der Expertise nicht-juristischer Expert:innen des Helpdesks sowie die Nutzung von Synergien in der Sektion Recht der NFDI. Perspektivisch ist auch geplant, bestehende und/oder zu schaffende Schnittstellen mit GAIA-X oder der European Open Science Cloud zu verknüpfen, soweit dies zur rechtssicheren Dokumentation und Nutzung von Forschungsdaten unter FAIR- und CARE-Prinzipien beiträgt.

Legal Helpdesk kontaktieren

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Lizenzen – Eine Anleitung zu Creative Commons und 130 Frequently Asked Questions

Im Gespräch zwischen Dietmar Kammerer (Uni Marburg) und Fabian Rack (FIZ Karlsruhe/iRights) stand die Geschichte, Gegenwart und Zukunft offener Lizenzen im Mittelpunkt. Dietmar Kammerer erinnerte an den Kontext der Entstehung der Creative-Commons-Lizenzen im Jahr 2001. Neu entstandene Online-Tauschbörsen oder P2P-Netzwerke (z.B. Napster, The Pirate Bay) führten in dieser Zeit zu einer Klagewelle der Unterhaltungsindustrie und einer breit geführten Diskussion um so genannte „Urheberrechts-Piraterie“. Im wissenschaftlichen Kontext startete 2001 die „Budapest Open Access Initiative“ mit dem Ziel, Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen, zwei Jahre später erweiterte die "Berliner Erklärung" dieses Ziel auch auf die Kulturerbeeinrichtungen. Die Creative Commons-Bewegung wiederum wurde gegründet, um Künstler:innen die Verbreitung ihrer Werke durch ein Set von modular aufgebauten Lizenzen zu erleichtern. Der Erfolg der CC-Lizenzen macht sie auch im wissenschaftlichen Open-Access-Bereich mittlerweile zum Standard.

Fabian Rack erläuterte die Prinzipien der CC-Module und stellte die - an diesem Tag freigeschalteten - neuen deutschen Creative-Commons-FAQ vor, wobei er auf ausgewählte Fragen näher einging: Wie lassen sich Open-Access-Bedingungen mit Hilfe des Lizenzmodells realisieren? Sollten gemeinfreie – also urheberrechtlich nicht (mehr) geschützte Materialien – lizenziert werden? Darf ich meine Publikation frei und offen lizenzieren, wenn darin unfreie Bildzitate enthalten sind? Abschließend beantworteten Fabian Rack und Dietmar Kammerer Fragen aus den Publikum. Fabian Rack rief dabei zum „Stresstest“ der FAQ durch die Wissenschafts-Community auf.

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Visionär gedacht – Ein neues Kreatives Ökosystem

Katharina de la Durantaye (FU Berlin) stellte das „Memorandum zur Zukunft des kreativen Ökosystems in Europa“ vor. Das von namhaften Urheberrechtler:innen verfasste Papier plädiert unter anderem für kürzere Schutzfristen und für werkarten-spezifische Regelungen. Dieser visionäre Blick auf das Urheberrecht bildete den Abschluss des Symposiums.

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