Bericht | 26. Februar 2025
Bericht zum Forum der Cultural Research Data Academy „Musik – Medien – Kulturerbe: Schnittpunkte zwischen Daten, Forschung und Infrastruktur“
Von Dr. Vincent Fröhlich , Andrea Polywka, M. A. , Katharina Bergmann, M. A. , Dr. Alexander Stark und Dr. Martin Albrecht-Hohmaier

Electronic devices and record media
"Pile of diverse electronic devices and record media." CC0 Autor:in: Belinda Fewings, Besitzer:in: Belinda Fewings
Unser Forum der Cultural Research Data Academy „Musik – Medien – Kulturerbe: Schnittpunkte zwischen Daten, Forschung und Infrastruktur“ fand am 06. und 07. Februar 2025 am KreativInstitut.OWL in Detmold sowie online via Zoom statt.
Der sichere und nachhaltige Umgang mit Forschungsdaten ist eine Kernkompetenz im Schnittbereich von Wissenschaft und Kulturerbe. Seit 2021 ist die Cultural Research Data Academy (CRDA) des Konsortiums NFDI4Culture bestrebt, die Entwicklung kulturbezogener Daten- und Codekompetenz (Data Literacy) institutionenübergreifend und transdisziplinär voranzutreiben. Im Fokus stehen dabei computergestütztes Denken und Datenkurationsfähigkeiten im Feld der Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Film- und Medienwissenschaften, Darstellenden Künste und Architektur.
In den zurückliegenden Jahren haben wir für diese Zielgruppen an Hochschulen und Kulturerbe-Einrichtungen Vernetzungsformate entwickelt, individuelle Beratungen angeboten und Schulungen abgehalten.
In unserem diesjährigen Forum am 6. und 7. Februar, dem inzwischen fünften der Cultural Research Data Academy, haben wir die gemeinsamen Herausforderungen unserer Communities der Film- und Medienwissenschaft sowie der Musikwissenschaft im Umgang mit multimodalen Daten des Kulturerbe-Sektors in den Fokus gerückt.
Uns interessierte im Besonderen:
- der Umgang mit Forschungsdaten für medien- und filmwissenschaftliche Forschungsprojekte;
- einheitliche Standards für Metadaten, sowie ein Überblick zu heterogenen Film- und Filmmusikbeständen, aktuelle Informationen zu Tools und Repositorien, die für den nachhaltigen Umgang mit Forschungsdaten maßgeblich sind;
- Use Cases im Bereich KI / generative Musik- und Medientechnologien;
- Rechtliche Aspekte (Urheber- und Leistungsschutzrechte im Zusammenhang mit komplexen multimodalen/audiovisuellen bis hin zu KI-generierten Daten);
- und der Austausch zwischen Projekten mit ähnlichen Forschungs- bzw. Metadaten.
Die Veranstaltung war als hybrides lunch-to-lunch Forum gestaltet. Am KreativInstitut.OWL in Detmold begrüßte uns der Gastgeber Guido Falkemeier mit einer Vorstellung des Instituts, das ein einmaliger, interdisziplinärer Verbund der Universität Paderborn, der Kunsthochschule Detmold und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ostwestfalen-Lippe ist.
Den Auftakt der insgesamt 11 Inputs gab Axel Berndt vom KreativInstitut.OWL, der für den erkrankten Tobias Matzner einsprang. Berndt erläuterte in seinem Vortrag „Deconstruction – Recombination – Order: Ein kurzer Werkbericht“, wie er bei einer KI-gestützten Komposition vorgegangen ist, bei welcher der Auftrag lautete, ein Musikstück im Stile Mozarts mittels Markov-Modellen anzufertigen. Deutlich wurde, wie viele und immer genauere Vorgaben es benötigte, damit eine passende und aufführbare Komposition entstand, was zugleich auch Fragen nach dem Urheber dieses Werks mit sich brachte.
Im zweiten Beitrag „Living Data Labs: Infrastruktur(ierung) und Community-Building rund um Forschungsdaten“ betonte Andreas Möllenkamp von der Wissenschafts- und Innovationsforschung der Universität Hamburg, dass eine nachhaltige Implementierung einer Wissenschaftskultur rund um Forschungsdaten maßgeblich von der Stärkung einer lebendigen zugehörigen Community abhängig ist. Das Forschungsformat der Living Labs diente ihm dabei als Metapher für die zentrale Bedeutung eines integrierten und nachhaltig angelegten Community-Buildings von Forschungsdateninfrastrukturen und ihren Stakeholdern – eine der zentralen Aktivitäten von NFDI4Culture.
Sarah-Indriyati Hardjowirogo von der Leuphana Universität Lüneburg betonte in ihrem Vortrag „Sound/Technologien als Forschungsdaten. Herausforderungen einer offenen Soundkulturwissenschaft“, wie sehr Daten, Inhalte und Communities je nach Forschungsdaten-Projekt differieren. Dabei wurde deutlich, dass eine leichtere Zugänglichkeit der Daten sowie Richtungsweisungen für die Vereinheitlichung, Standardisierung und Internationalisierungen im Umgang mit Daten unbedingt erstrebenswert sind auf dem Weg zu Open Science im Bereich der Sound Studies.
Das zweite Panel begann mit Lorenz Gilli (Universität Siegen), der in seinem Input „Audiovisuelle und textuelle Forschungsdaten bei Musik- und Soundanalyse am Beispiel von EDM DJ-Sets“ Analysemöglichkeiten einzelner Tracks bei DJ Sets vorstellte. Im Vordergrund stand die Frage, wie DJs ihr Rohmaterial verändern, um daraus ihre Sets zu bauen. Gilli zeigte die verschiedenen Möglichkeiten des "Sonic Visualiser", um Audio- und Videoanalysen der DJ-Techniken zu vergleichen und daraus weiterführende Erkenntnisse zu ziehen.
Sigrun Lehnert von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg präsentierte in „Auf der Spur des ‚Typischen‘: Wochenschau-Sound als Digital Humanities-Projekt“ bisherige Ergebnisse und Herausforderungen in der Erforschung der Musik aus Wochenschau-Sendungen. Aufgrund der großen Menge an digitalisierten Musikstücken und -ausschnitten zeigte sich die Notwendigkeit eines "Music Information Retrievals", um sich den verschiedenen Fragen der Aufmerksamkeitslenkung und des spezifischen Zuschnitts zu Themen, Ländern und Ereignissen der Wochenschau-Sendungen annähern zu können.
In ihrem Input „Akkorde und Algorithmen: Ein Projektbericht zur KI-gestützten Erschließung von DDR-Musiksendungen“ stellte Kim Voss vom Deutschen Rundfunkarchiv die Herangehensweise bei der Mediendokumentation und Datenanalyse ihres umfangreichen Quellenmaterials vor, dessen Erfassung das Team von Frau Voss mittels möglichst weitgehender Automatisierung bewerkstelligen will.
Der Tag wurde beschlossen von Führungen durch die Labore im KreativInstitut.OWL, bei denen spannende Einblicke in die kreativen Möglichkeiten des einzigartigen Gebäudes gewährt wurden. Damian Dziwis, am KIO Gastprofessor für Komposition und Sound Design für digitale Medien, zeigte nicht nur Forschungsansätze, sondern performte im Anschluss unter dem Titel „Live Coding Concert – generative Komposition bis Algorave“.
Der zweite Tag begann mit dem Input von Silke Reich von der Goethe-Universität Frankfurt und Dennis Friedl von der Universität Paderborn „Metadatenstandards zur Beschreibung von Film(musik): Aufteilung & Integration“. Berichtet wurde von den verschiedenen Experimenten mit der Aufnahme von Metadaten im Editionsprojekt der "Korngold-Werkausgabe". Das Team stellte sowohl im Hinblick auf FRBR (Functional Requirements for Bibliographic Records) als auch bei der Arbeit mit der Editions-Software Edirom eine zu geringe Passgenauigkeit für die Erschließung des filmmusikalischen Materials fest und präsentierte ihren Status bei der Suche nach Annotations-Tools, welche die Herausforderungen des AV-Materials für das Editionsprojekt zufriedenstellend lösen.
Barbara Alge von der Goethe-Universität Frankfurt differenzierte und problematisierte die CARE-Prinzipien in ihrem Beitrag „Musikalische Ethnographien im Spannungsfeld von Open Access und CARE-Prinzipien“. In Rekurs auf den maßgeblichen Artikel von Sabine Imeri und Michaela Rizzoli „CARE Principles for Indigenous Data Governance“ (2022) deutete sie auf das Spannungsfeld von Datensouveränität, Datenschutz und Daten im Sinne von FAIR-Prinzipien hin und den teilweise zu lockeren Umgang mit den jeweiligen Begrifflichkeiten. Zudem reflektierte sie die Bedeutung und Möglichkeiten der CARE-Prinzipien im Kontext ihrer eigenen musikethnologischen Forschung.
Das zweite Panel des Tages begann mit dem Input „Satztechnik und KI – Perspektiven für die Musiktheorie“ von Henrik Schuld & Birger Petersen von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie berichteten von dem Experiment, eine in nur drei von vier Stimmbüchern überlieferten Publikation einer Choralsammlung von Johann Jakob Pagendarm des frühen 18. Jahrhunderts mit Hilfe von computergestützter Software zu vervollständigen. Der Rekonstruktionsprozess der fehlenden Bassstimme wurde dreistufig mittels Algorithmus, KI und der Zusammenführung und Überprüfung der Ergebnisse gestaltet.
Johannes Hentschel von der Johannes Kepler Universität Linz / École polytechnique fédérale de Lausanne sprang kurzfristig mit seinem Vortrag „How Hard Can It Be? Ground truthing Fumi's Hardgroove set for beat inference“ für die verhinderte Lisa Rosendahl (Greening DH) ein. Angeregt von Lorenz Gillis Vortrag stellte er für die Analyse von DJ-Sets den Timeline Annotator mit konkreten Beispielen vor. Ziel seiner Überlegungen anhand von audiovisuellen Performance-Materialien ist u. a. die Herstellung von Forschungsdaten zur Analyse von spontanen Entscheidungen beim Einsatz von parallel laufenden Tracks bei DJ-Sets.
Das letzte Input hatte Oliver Vettermann (FIZ Karlsruhe / NFDI4Culture), der mit „Training Season – zum rechtlichen Schutz von Kunst und Künstler:innen“ unter anderem anhand des öffentlichen Diskurses um das KI-generierte Album von Katy Perry die Frage verfolgte, wer aus juristischer Sicht die Autor:innen eines solchen Werks sind. Deutlich wurde, dass die Datafizierung von Musik neue Darreichungsformen und neue Möglichkeiten schafft, mit denen juristisch und wissenschaftlich umgegangen werden muss, unter anderem, indem stärker zwischen Werkformen, dem Werkbegriff und Urheber:in unterschieden wird.
Die Co-Spokesperson Andreas Münzmay (Univerität Paderborn) und Malte Hagener (Universität Marburg) formulierten ein Wrap Up des Forums in Form von fünf Take Aways.
1. Jeder Fall ist anders, viele sind ähnlich: Die Vorträge hätten gezeigt, dass die Individualität der Forschungsprojekte eine Herausforderung für den Umgang mit Daten darstelle. Daher sei es so wichtig, in Foren wie diesem, Gespräche über Formate, Tools und Plattformen zu führen.
Auch deshalb sei 2. Community nötig und sinnvoll, mache aber auch Arbeit. Standards könnten nicht sinnvoll "von oben" durchgesetzt werden, sondern würden von der Community mitgetragen.
Korrespondierend zu Punkt 1 seien 3. mixed methods und scalable readings häufig die besten Verfahren, damit sowohl auf die Individualität der Projekte und Daten eingegangen werden könne als auch etablierte Verfahren genutzt würden.
4. Open Source und Open Data sind zwar nicht immer perfekt, aber sie sind alternativlos: Netzwerke müssten gebildet werden, vor allem bei der Weiterentwicklung von Software und Standards; die Beteiligung an kollaborativen Projekten sei zentral.
5. Das Kaninchen und die Schlange: Trotz oder gerade angesichts von rasanten Entwicklungen im Bereich KI sollten die Communities proaktiv Spielräume ausloten, Allianzen schmieden und sich gegenseitig unterstützen.
Wie den Reaktionen und Rückmeldungen zu entnehmen war, fand die Veranstaltung insgesamt sehr positives Feedback. Im Hinblick auf das durch die Cultural Research Data Academy grundsätzlich hybrid und mit dem notwendigen technischem Aufwand durchgeführte Format wurde die Einbindung der online Teilnehmenden explizit gelobt. Es wurde bemängelt, dass nicht zuletzt aufgrund der drei Absagen der Anteil an Inputs aus der medienwissenschaftlichen Community etwas knapp ausfiel.
Den spontan eingesprungenen Vortragenden sei an dieser Stelle nochmals für ihren Einsatz und die spannende Bereicherung des Programms aufs Herzlichste gedankt.
Die bereitgestellten Präsentationsfolien werden in Kürze auf ZENODO publiziert.

"Damian Dziwis tritt beim CRDA Forum in Detmold mit seinem „Live Coding Concert - generative composition to Algorave“ im KreativInstitut.OWL (KIO) in Detmold auf." CC0 Autor:in: Martin Albrecht-Hohmaier, Besitzer:in: Martin Albrecht-Hohmaier